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Offener Brief an den Präsidenten des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. med. Wolfram Hartmann

In einem offenen Brief hat sich heute der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes Ulrich Weigeldt an den Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. med. Wolfram Hartmann, gewandt und dessen Disqualifizierung der Hausärztinnen und Hausärzte scharf kritisiert. Hartmann handele nicht nur äußerst unkollegial, er riskiere vor allem die flächendeckende und umfassende medizinische Betreuung von Kindern und Jugendlichen und spiele mit den Ängsten der Eltern.

 

 

 

Sehr geehrter Herr Dr. Hartmann,

nach jahrelangen Versuchen, mit Ihnen vernünftige Versorgungsstrukturen für unsere Patientinnen und Patienten zu entwickeln, sehen wir uns jetzt unkollegialen Angriffen Ihrerseits gegenüber, die jedes bisher bekannte Maß überschreiten. In den Verhandlungen in Fachausschüssen und bei Vertragsgestaltungen sind wir viele Kompromisse mit Ihnen eingegangen. Weil wir wissen, dass die Versorgung vor Ort in der Regel kooperativ abläuft, haben wir über manchen Affront Ihrerseits hinweggesehen.

Ihre Verunglimpfung der Qualität der hausärztlichen Versorgung durch die Hausärztinnen und Hausärzten Deutschlands, wie Sie sie jetzt vortragen, ist nicht nur unkollegial und unerträglich, sie entbehrt auch jeder sachlichen Grundlage. Zur Durchsetzung Ihrer Partikularinteressen nehmen Sie ungerührt die Verunsicherung vieler Eltern in Deutschland in Kauf. Dies kann so nicht unbeantwortet stehen bleiben.

Die von Ihnen angestrebten und abgeschlossenen Verträge, welche die exkklusive Betreuung von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr durch Kinderärzte beinhalten, gefährden die flächendeckende und umfassende Betreuung von Kindern und Jugendlichen ganz erheblich.

Wie Sie sehr wohl wissen, zeichnen die abgerechneten Fallzahlen der KV-Niedersachsen ein anderes Bild, als Sie es gerade auch gegenüber Krankenkassen darstellen. Dort ist belegt, dass in den Altersgruppen der 0-4-Jährigen 35% durch Allgemeinmediziner versorgt worden sind, in der Gruppe der 5-9-Jährigen 49% und in der Gruppe der 10-19-Jährigen sogar > 80%. Bei pädiatrischen Hausbesuchen aller 0-18-Jährigen waren die Allgemeinärzte mit 79% vertreten. Bei Unzeitkontakten der 0-18-Jährigen mit 55%. Bezüglich Früherkennungsuntersuchungen U1-U9 wurden ca. 20% durch Allgemeinärzte durchgeführt und bei der J1 ca. 50%. Diese Ergebnisse sind repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik.

Dies betrifft auch Ballungsgebiete, zum Beispiel Bremen: Trotz vier Kinderkliniken, etlichen Ermächtigungen und einer mehr als ausreichenden ambulanten pädiatrischen Versorgungsdichte werden Kinder und Jugendliche zu einem erheblichen Anteil durch Allgemeinmediziner versorgt: durchschnittlich 20% der (Jugend-)Vorsorgeuntersuchungen und 21% aller Praxiskontakte von Kindern entfallen dort auf die Allgemeinärzte. 50% der 10-19_-Jährigen werden in Bremen durch Allgemeinmediziner versorgt. Bei den 0-4-Jährigen werden 57% der Hausbesuche von Allgemeinärzten übernommen, für alle 0-18-Jährigen sogar 64%.

Diese Zahlen sprechen für sich.

 

In den von Ihnen abgeschlossenen Verträgen nehmen Sie Jugendlichen und Heranwachsenden die Freiheit ihren Hausarzt zu wählen, ohne dass es hierfür irgendeine medizinische Evidenz gäbe.


Der Deutsche Hausärzteverband bedauert diese Entwicklung und diese von Ihnen aus welcher Motivation auch immer vorgetragenen diskriminierenden Angriffe. Dies ist insofern besonders bedauernswert, weil auch die kooperative Atmosphäre in der Versorgung vor Ort dadurch vergiftet wird.

Der Deutsche Hausärzteverband wird in seinen Versorgungsverträgen nach § 73b, § 140a und anderen keinerlei Alterseinschränkungen vereinbaren und so auch den Kinderärzten den Zugang zu den Verträgen im Rahmen der Berufsordnung einräumen. Wir werden allerdings keine Verträge akzeptieren, die Kindern, ihren Eltern und Jugendlichen die freie Wahl ihres  Hausarztes erschweren oder verwehren!

Sehr geehrter Herr Dr. Hartmann,

wir fordern Sie eindringlich auf, den von Ihnen beschrittenen Weg der Disqualifizierung der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen sofort zu verlassen, vor allem auch Ihre Ausfälle gegenüber den niederländischen Kolleginnen und Kollegen zurückzunehmen und zu einer kollegialen Kooperation zurückzukehren. Dies ist auch im Interesse der von Ihnen zu vertretenden Kolleginnen und Kollegen in Klinik und Praxis.


Mit freundlichen Grüßen


Ulrich Weigeldt

Bundesvorsitzender

 

Offener Brief vom 29.01.2008

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