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Offener Brief von Dr. med. Werner Baumgärtner an den KBV-Vize Dr. Carl-Heinz Müller vom 02.07.2008

 

Kassenärztliche Bundesvereinigung
Herrn Dr. med. Carl-Heinz
MüllerHerbert-Lewin-Platz 2
10623 Berlin

Stuttgart, 02.07.2008

 
Pressemitteilung zum Start des Hausarztvertrages in BW

 

Lieber Carl-Heinz,

 

die von Dir verfasste Pressemitteilung würde ich, vorsichtig formuliert, als ?dümmer geht es nimmer? charakterisieren. Ich bitte auch nicht um Verständnis für meine Einschätzung, weil ich Dich sonst der vielfachen Lüge bezichtigen müsste.

 

Der von Dir kritisierte Sachverhalt, dass die Anlagen nicht zum 1.7. pünktlich im Internet waren, ist unproblematisch, weil sich vor Veröffentlichung auch niemand einschreiben konnte, kein Arzt und kein Patient. Und die Abrechnung des Vertrages erfolgt erst ab dem 1.10.08. Verglichen mit dem Chaos, das die KBV in den Praxen mit dem bürokratischen Monster ?neue Arztnummern? verursacht hat, deren Updates einige Tage vor Quartalsbeginn in den Praxen eingingen, ein geradezu komfortables Verfahren für die Beteiligten. Diese neuen Nummern dienen ja auch nicht zur noch perfideren Kontrolle, sondern der Freiberuflichkeit und dem Bürokratieabbau in den Praxen. Wie immer konntet Ihr auch diesen Schwachsinn nicht verhindern, sondern habt wie immer Schlimmeres verhindert.

 

Die Anlagen zum HZV-Vertrag stehen seit heute übrigens im Internet, und standen dort auch schon vor der Veröffentlichung Eurer Pressemeldung.

 

Du schreibst ?Tatsächlich haben wir es mit einer Neu-Budgetierung von Leistungen zu tun, die im KV-System extrabudgetär vergütet werden?, dabei vermischst Du Fallzahlen und Fallwerte bewusst miteinander. Zu Deinem Verständnis: Im von Dir zu verantwortenden KV-System gibt es eine Fallzahlzuwachsbegrenzung. Das bedeutet, dass den Ärzten ein großer Teil von Leistungen gar nicht bezahlt wird. Bei unserem Vertrag werden keine Fälle gestrichen, auch noch der letzte Fall, der kurz vor Quartalsende oder zum jungen aufstrebenden Kollegen, der großen Zulauf hat, kommt, wird bezahlt.

 

Die Fallzahlen werden in den nächsten Jahren wegen der demographischen Entwicklung und der Morbidität weiter steigen, insofern ist es ein Quantensprung zum KV-System, dass hier eine Kasse endlich bereit war, diesen Teil des Morbiditätsrisikos zu übernehmen.

 

Kennst Du das Ergebnis der Honorarpolitik der KBV und der KVen gerade mit der?extrabudgetären Vergütung der KBV??

Es sind durchschnittliche Fallwerte bundesweit von 40 bis 60 Euro. Darin enthalten sind alle Leistungen, Akupunktur, Hausbesuche, Prävention, Chirotherapie, ambulantes Operieren, Notfalldienst usw. usw.

 

Wir haben eine kontaktabhängige und eine kontaktunabhängige pauschalierte Vergütung mit Zuschlägen erreicht, die durchschnittliche Fallwerte von 75 bis 85 Euro und Spitzenfallwerte bis 110 Euro erreichen. Hallo, durchschnittlich bis 85 und in der Spitze über 100 Euro, davon träumt die KBV!!!

 

Deshalb wäre es an der Zeit, aufzuhören mit Euren Milchmädchenrechnungen und damit die Öffentlichkeit zu verunsichern. Stopp mit der tumben Umverteilungspolitik der KBV, vielleicht schafft Ihr dann, gerne mit unserer Unterstützung, endlich höhere Fallwerte. Dass ab 2009 die Morbidität auf die Kassen übergehen würde, wie von Euch immer wieder veröffentlicht, das glaubt nach Lektüre der § 85-87 SGB V nun wirklich keiner. Das ist doch bewusste Irreführung der Kolleginnen und Kollegen.

 

Du schreibst ?wenn die Ärzte die von den Kassen definierten Quoten nicht erfüllen, fliegen sie raus?. Das ist falsch, denn wer die Quoten nicht erfüllt, erhält bei uns keinen Bonus, z.B. im Arzneimittelbereich. Die Quoten legen die Vertragspartner fest und wir erhalten die Richtgrößen und Budgets nicht diktiert wie im KV System, wo derjenige, der die Quoten dann nicht erfüllt, riesige Summen Strafe bezahlt, was im KV-System regelmäßig tausende von Praxen existenziell trifft.

 

Für die beteiligten Ärzte in BW gibt es eine deutlich bessere Vergütung und ich höre noch die Fragen aus der KBV, wo nimmt die AOK BW denn das Geld her. Eine wirklich wichtige Frage für eine Institution, die vorgibt, die Interessen der Ärzte zu vertreten. Tatsache ist, die Finanzierung steht und es gibt für alle Beteiligten die Win-Win Situation. Ein Zustand, den die KBV gar nicht mehr kennt, aber dafür verhindert Ihr seit Jahren Schlimmeres.

 

Die eingeschriebenen Ärzte können bundesweite Punktwerte, Fallzahlbegrenzungen, Honorarabstaffelungen, Schöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven beim Honorar, Abstaffelungen, Umverteilung, individuelle und kollektive Budgetierung und einen EBM mit immer kürzeren Halbwertszeiten einfach vergessen!!

 

Natürlich wird es die üblichen Umstellungsprobleme geben und natürlich bestehen Ängste vor der neuen Welt, die aus dem maroden KBV-Umsetzer-System, für das inzwischen auch Du verantwortlich bist, natürlich kräftig geschürt werden. Für mich steht fest, die beteiligten Ärzte verlassen das Honorarchaos der KBV, bei dem kein beteiligter Kollege weiß, wie seine Vergütung und seine wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren aussehen werden; auch die Fachärzte über 73c-Verträge. Glückliche niedergelassene Ärzte in Baden-Württemberg!!!

 

In diesem Sinne verbleibe ich in der Hoffnung, dass uns weitere derartige Pamphlete der KBV erspart bleiben.

 

Es grüßt Dich Dein alter Freund

W. Baumgärtner

Vorstandsvorsitzender

 

Offener Brief an den KBV-Vize Dr. Carl-Heinz Müller 02.07.2008

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