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Rundschreiben des Bundesvorsitzenden Ulrich Weigeldt vom 04.04.2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch im Jahr 2008 bedarf es großer Kraftanstrengungen, die hausärztliche Versorgungsebene zukunftsfähig zu machen.

Leider hat der von der KBV verhandelte EBM 2008 nur noch in Ansätzen etwas mit dem hausärztlichen Gebührenordnungsvorschlag des Verbandes und des hausärztlichen Fachausschuss der KBV zu tun. Eine pure Unverschämtheit stellt z. B. die Bewertung der psychosomatischen Qualifikation mit 20 Punkten pro Fall dar. Die Punktzahlen müssen sofort angehoben werden, und zwar mindestens um das Dreifache, wie es der Fachausschuss auch eingefordert hat. Eins ist nun leider gewiss: Nach der Fledderung unserer hausärztlichen Gebührenordnung, insbesondere durch den KBV-Vorstand, werden wir in der KV-Welt eine ausreichende hausärztliche Honorierung nicht erreichen!
 

Letztlich wird ein Honorar von mindestens 75 Euro pro Quartal und Fall nur in eigenständigen Verträgen erreichbar sein!

Deshalb müssen wir Hausärzte bei unserer mehrfach beschlossenen Linie bleiben, eigenständige Verträge zu verhandeln und umzusetzen. Nur dann sind wir frei von Verteilungskämpfen und facharztdominierten KV-Gremien. Die teils vehementen Angriffe gegen unsere Verträge durch KVen und von verschiedenen Herstellern von Praxisverwaltungssystemen kommen nicht überraschend. Ob dies darin begründet liegt, dass man sich z. B. auf Seiten der Praxissoftwareanbieter um den Verlust bislang erreichter Marktpositionen fürchtet, vermag ich nicht abschließend zu beurteilen. Sie sollten sich in keiner Weise von den vielen ?Informationen? und Parolen, die unser Vertragsgeschäft und den Aufbau eigenständiger und rein hausärztlicher Strukturen verhindern wollen, verunsichern lassen.


Die Vertragsverhandlungen, insbesondere mit der AOK Baden-Württemberg, gehen indes planmäßig und geordnet weiter und werden in Kürze zum Abschluss kommen!


Wo hausärztliche Interessen von KVen vertreten werden, ist das Ergebnis eine miserable Honorarsituation, ein Bürokratie- und Kontrollwahnsinn, die permanente Fledderung des hausärztlichen Versorgungsauftrags bei gleichzeitiger Wilderung unserer Honoraranteile und noch vieles mehr.

Der daraus entstehende Frust führt bei vielen dazu, dass sie das System am liebsten komplett verlassen wollen. Die bayerischen Hausärzte haben dies stellvertretend für alle deutschen Hausärzte am konsequentesten vorgetragen und damit die Not und Sorgen der Hausärzte und ihrer Patienten in ganz Deutschland in noch nie dagewesener Weise bekannt gemacht. Es geht bei den Protesten auch um die Existenz der Hausärzte, aber es geht vor allem um die wohnort- und patientennahe hochqualifizierte Versorgung. Die Zeit zimperlicher Politik ist vorbei!

Für uns ist es entscheidend, eigenständige Verträge abzuschließen und autarke Strukturen aufzubauen, wie das zurzeit in Baden-Württemberg geschieht. Nur so können wir die berufliche Situation der Hausärzte verbessern! Dies gilt auch für alle anderen Regionen, und ob in Bayern der Ausstieg letztlich komplett erfolgt oder nicht, auf jeden Fall werden wir uns darauf vorbereiten und einstellen, die notwendigen eigenständigen Verträge überall in Deutschland auszuhandeln und umzusetzen. Hier besteht große Einigkeit innerhalb des Hausärzteverbandes.

Dagegen werden wir nicht zu ziellosen Protesten oder Praxisschließungen aufrufen. Aktionismus hat keinen Erfolg, sondern verschleißt nur Motivation und Kraft.
 

Wir sind nicht für eine Systematik zu gewinnen, die das Geld der Hausärzte aus Bayern und Baden-Württemberg über einen irgendwie berechneten und dann regional intransparent angepassten Orientierungspunktwert in andere Gebiete verteilt. Diese Nivellierung des Honorars auf niedrigstem Niveau ist nur der nächste Schritt in den Abgrund. Was wir brauchen, ist ein deutlich aufgewertetes hausärztliches Honorarkontingent.
 

Stattdessen schlägt uns die KBV die ?Neuordnung der Versorgungsebenen? vor, in der in der primären Versorgungsebene neben Hausärzten, Augenärzten und Gynäkologen auch Fachärzte mit einer Zusatzqualifikation ?Case-Management? angesiedelt werden. Die KBV und ihre Vorsitzenden sowie der überwiegende Teil auch unserer KV-Repräsentanten sind also der festen Überzeugung, dass sich hausärztliche Qualifikation auf wenige Stunden Case-Management reduzieren lässt! Mit einigen Schmalspurhausärzten ist dann wohl auch das Nachwuchsproblem gelöst. Der bisher gepflegte konstruktive Umgang mit der KV-Welt braucht offensichtlich deutlich mehr Härte.


Die Politik muss der Körperschaft aufzeigen, dass sie aufgrund ihres dauerhaften Scheiterns hausärztliche Interessen adäquat zu vertreten, nichts in den Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung zu suchen hat!

Hausärzte brauchen eine KV-unabhängige, eigenständige Vertrags- und Tarifautonomie mit den Krankenkassen. In den letzten Tagen hat die KV Berlin als erste ärztliche Körperschaft im Rahmen eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung eine einstweilige Verfügung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erhalten! Dies ist der Anfang vom Ende der KV als öffentlich-rechtliche Körperschaft!

In der Übergangszeit nutzt die KV ihre Norm gebende Behördenmacht aus, um den letzten Rest der ärztlichen Freiberuflichkeit zu zerstören: Zum 01.07.08 wird die Kennzeichnungspflicht für jegliche Leistung mit der Betriebsstättennummer und der neuen individuellen Arztnummer eingeführt: Jedes Rezept, jede Verordnung, jedes Zeitbudget und jede Richtgröße werden individualisiert! Vielleicht führen wir bald die Stechuhr als Symbol der KV-Freiberuflichkeit ein. Das Thema ist ernst, und wir müssen die Rücknahme des Beschlusses fordern, denn sonst ist die Gemeinschaftspraxis in Gefahr und die Bürokratie steigt noch mal um eine Potenz!

Es ist endlich an der Zeit, die Arbeitsbedingungen für uns Hausärzte so zu gestalten, dass wir unsere Patienten ohne Schikanen versorgen können und dafür ein angemessenes Honorar erhalten. Das geht nur mit einem starken Hausärzteverband, und die Stärke des Verbandes sind seine Mitglieder: Deshalb, wenn Sie noch nicht Mitglied sind, treten Sie Ihrem Landesverband bei!

Herzliche Grüße

Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender 

 

Rundschreiben vom 04.04.2008

 

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